Modellgestützte Gefriertrocknung

Kollagenscaffolds für Regenerative Medizin und Zellkultur

⇒ Freie Gestaltung der 3D-Struktur am PC

⇒ Einfache Anpassung von Stabilität und Degradationseigenschaften

Kompetenz in der kryogenen Kollagenverarbeitung

Kollagen ist ein Biopolymer mit überragender medizinischer Bedeutung. Es wird als blutstillende Wundauflage, implantierbarer Wirkstoffträger für die Applikation von Antibiotika und Hormonen und resorbierbares Gewebeersatzmaterial für die chirurgische Defektversorgung und regenerative Medizin verwendet. Darüber hinaus besitzt es eine große Bedeutung als Trägermaterial für die Zell- und Gewebekultur.

Die Fertigung 3-dimensionaler (3D) Wundauflagen, regenerativer Biomaterialien und Zellkultur­scaffolds aus Kollagen und artverwandten Biopolymeren erfolgt durch industrielle Gefriertrocknungs­prozesse. Qualität und Aufbereitung des Rohstoffes sowie das Abkühlverhalten im Gefrier­trocknungsprozess beeinflussen die resultierende Struktur der hochporösen, 3D-Matrix.

Wir nutzen diese Erkenntnisse zur gezielten Steuerung der Materialstruktur durch ein modellgestütztes Ice Templating Verfahren (MBIT). Mit unserem neuen Gefriertrockner-Konzept Janus ist der komplette Fertigungsprozess in einem Arbeitsgang durchführbar.

Mittels softwaregestützter Prozessplanung können Porenform, Porengröße und Mikroporosität frei variiert sowie zweilagige Materialien mit einer Sperrschicht gegen unerwünschte Zellmigration erzeugt werden.

Über eine spezielle thermische Behandlung im Trocknungsprozess können mechanische Eigenschaften und Degradationsverhalten des erzeugten Biomaterials wunschgemäß beeinflusst werden.

Die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten maßgeschneiderter, kollagenbasierter Trägermaterialien können in der Zell- und Gewebekultur eindrucksvoll experimentell bestätigt werden.

 

 

Model-based Ice Templating – bedarfsgerechte 3D-Struktur am PC planen

Funktionsweise des Verfahrens

Unsere patentierte MBIT-Technologie basiert auf dem Prinzip einer gezielten Kälteapplikation an Lösungen oder Suspensionen zur Erzeugung einer definierten Eisstruktur. Beim Ausgefrieren des Wassers wird der gelöste oder dispergierte Feststoff an den Grenzflächen der Eiskristalle abgeschieden und zu einer Matrixstruktur verdichtet. Durch anschließende Gefriertrocknung werden die Eiskristalle aus der Materialstruktur entfernt und das Gefriergut wird in eine hochporöse, homogene Biomaterial-Matrix mit der gewünschten Zielstruktur überführt.

Schematische Darstellung des Verfahrensablaufes

 

Das Verfahren erlaubt die freie Wahl der 3D-Struktur, der mechanischen Festigkeit und Degradationsstabilität 3-dimensionaler Kollagenscaffolds durch eine detaillierte Planung des Verarbeitungsprozesses am PC. So können 3D-Biomaterialien für verschiedenste Applikationen ohne kostenintensive Entwicklungsarbeit direkt gefertigt werden. Folgende Parameter des Kollagenschwammes können im Gefriertrocknungsprozess gezielt beeinflusst werden:

  • Wahl einer polygonalen oder lamellaren Porenstruktur
  • Freie Variation der Porengröße im Bereich von ca. 50 µm bis 500 µm
  • Freie Variation der Porosität und Mikroporosität
  • Erzeugen einer Bi-Layer-Struktur mit Sperrschicht aus verdichtetem Kollagen
  • Freie Wahl der Sperrschichtlage und der Porengrößen der getrennten Materialbereiche
  • Anpassung der mechanischen Stabilität und des Degradationsverhaltens

Das Produkt ist eine poröse Matrix für den Einsatz in der regenerativen Medizin, in der Zellkultur, als 3-dimensionale Matrix für das Tissue Engineering oder als Trägermaterial für die parenterale Wirkstoffapplikation. Die Prozesssteuerung auf Basis statistischer Modelle ermöglicht eine freie und unabhängige Variation der resultierenden Matrixeigenschaften innerhalb physikalischer Grenzen. Materialstruktur, Porengröße, Porosität, Stabilität und Abbauverhalten der Matrix können optimal an den Einsatzzweck adaptiert werden.

Die Prozessierung einer Kollagensuspension zur Biomaterial-Matrix besteht aus drei Verfahrens-schritten, die in einem Arbeitsprozess kombiniert werden können:

       1. Schritt: Definierter Einfrierprozess

       2. Schritt: Gefriertrocknung

       3. Schritt: Dehydrothermale Stabilisierung

Unser neues Gefriertrockner-Konzept Janus integriert eine zweiseitige Kaltgaskühlung mit regelbarer Gefrierrate in den klassischen Gefriertrocknungsprozess. Dadurch ist der komplette Fertigungsprozess vom Einbringen der Materialsuspension bis zum bedarfsgemäß strukturierten, porosierten und mechanisch stabilisierten Matrixmaterial in einem einzigen Arbeitsgang durchführbar. Dies spart Kosten und Zeit.

  • Wirtschaftliche Vorteile

    • Nutzung konventioneller Einfrier- und Gefriertrocknungstechnik

    • Flexible Produktgestaltung in einem einheitlichen Fertigungsverfahren

    • Neue Produkte ohne Entwicklungsaufwand an PC planbar

    • Vereinfachte Zulassung neuer Produkte durch retrospektive Validierbarkeit

Das Verfahren ist insbesondere dann vorteilhaft, wenn eine flexible Fertigung 3D-Scaffolds mit bedarfsgerechter Makro- und Mikrostruktur geplant ist, z. B.:

  • Rasche Diversifizierung des Produktportfolios

  • Fertigung nach Kundenwünschen

  • Häufige Produktwechsel

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Maßgeschneiderte Zusammensetzung und 3D-Struktur

Welche Materialien können verarbeitet werden?

Unserer Kernkompetenz liegt in der Prozessierung von Kollagen und Kollagenkompositen mit löslichen Additiven und mineralischen Mikrogranulaten für den Knochenaufbau. Für die Verarbeitung zu Biomaterial-Matrices eignen sich aber prinzipiell alle Biopolymere, die wässrige Lösungen, phasenstabile Suspensionen oder Gele bilden mit beliebigen Zuschlagstoffen.

Welche Materialstrukturen lassen sich erzeugen?

Die Auswahl eines angepassten Gefrierregimes ermöglicht einerseits die Herstellung homogener Biomaterialstrukturen, andererseits können auch Materialien mit integrierten Sperrschichten in einem Arbeitsschritt erzeugt werden. Einsatzgebiet solcher Materialien sind Zellkultur und Tissue Engineering (Ko-Kultur verschiedener Zelltypen) sowie die regenerative Medizin (gesteuerte Gewebe-regeneration). Durch die Steuerung des Gefrierprozesses lässt sich die Materialstruktur an individuelle Erfordernisse anpassen:

  • Definierte Makrostruktur und Mikrostruktur

Die Form der erzeugten Poren kann zwischen polygonal und tunnelartig gerichtet variiert werden, so dass zwei verschiedene Grundstrukturen möglich sind, die von verschiedenen Zelltypen zur Ausprägung eines gewebetypischen Wachstumsmusters und gewebetypischer metabolischer Eigenschaften bevorzugt werden.

Auch die Porosität und Mikrostruktur des Materials können über den Verarbeitungsprozess definiert eingestellt werden. Sie entscheiden maßgeblich über die Nährstoff- und Gasversorgung der Zellen im Material und erlauben eine gezielte Steuerung zell- und gewebetypischer Eigenschaften. Während offene, mikroporöse Materialien beispielsweise eine Differenzierung mesenchymaler Stammzellen zu Bindegewebe fördern, kann mithilfe einer porenfreien Materialstruktur eine gezielte Knorpelbildung induziert werden.

Variation der Makrostruktur zwischen tubulär gerichtetem und polygonal ungerichtetem Porentyp (links) und Variation der Mikrostruktur zwischen hoher und niedriger Mikroporosität (rechts)
  • Gezielte Variation der Porengröße umd Implementierung von Sperrschichten

Die Porengröße der erzeugten Biomaterialien lässt sich über eine Variation der Suspensionseigenschaften und über die Temperaturführung im Herstellungsprozess in einem weiten Rahmen beeinflussen. Allein durch die Steuerung der Gefrierrate lassen sich in Kollagen-Matrices sowohl Porendurchmesser von weniger als 50 µm als auch Makroporen mit einer mittleren Porengröße von 500 µm erzeugen.

Variation der Porengröße einer gerichteten Materialstruktur im Gefriertrocknungsprozess (links) und Implementierung einer Sperrschicht in tubulär und polygonal porosierten Kollagenscaffolds (rechts)

Gleichzeitig können im Gefriertrocknungsprozess Sperrschichten aus verdichtetem Biopolymer erzeugt werden, die ein Durchwachsen von Zellen in den gegenüber liegenden Materialbereich regulieren oder verhindern. Die Lage der Sperrschicht in der Matrix kann gezielt variiert werden und in den so erzeugten, räumlich getrennten Materialbereichen sind unterschiedliche Porengrößen einstellbar.

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Steuerung der mechanischen Festigkeit und Degradationseigenschaften

Die gewünschte mechanische Stabilität des erzeugten Biomaterials, seine Resorptionsrate im Organismus oder sein Abbauverhalten in der Zellkultur lassen sich oft schon im Gefriertrocknungsprozess durch einen physikalischen Vernetzungsschritt einstellen. Die sogenannte Dehydrothermale Behandlung (DHT) führt zu einer schonenden Stabilisierung der erzeugten Materialien ohne zytotoxische Effekte und lässt sich ohne die Notwendigkeit eines zusätzlichen Verfahrensschrittes in den Verarbeitungsprozess integrieren. Über die Steuerung der Vernetzungstemperatur kann die Degradationsrate des Biomaterials applikationsspezifisch angepasst werden.

Degradation im MBIT-Verfahren erzeugter Kollagenscaffolds in wässriger Umgebung: schneller Abbau nach Vakuumvernetzung bei niedriger Prozesstemperatur (LT DHT) und langsamer Abbau nach Hochtemperatur-Vakuumvernetzung (HT DHT).

Beim Einsatz einer Kollagenmatrix als regeneratives Biomaterial zum Verschluss von Gewebedefekten wird das Implantat aus dem umliegenden Gewebe mit Zellen besiedelt und zu körpereigenem Gewebe umgebaut. Um diesem Remodelling-Prozess Raum zu geben, ist ein vollständiger biologischer Abbau des Implantates innerhalb weniger Wochen erwünscht. Beim Einsatz des Kollagenscaffolds als Matrix für die 3-dimensionale Zell- und Gewebekultur im Labor sind dagegen oft lange Kulturzeiten gewünscht. Wird die Kollagenmatix als Trägermaterial für die in vitro-Kultur eingesetzt, muss sie deshalb eine höhere Abbaustabilität aufweisen. Das MBIT-Verfahren ermöglicht eine flexible Einstellung der Degradationsrate für jeden Einsatzzweck.

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Performance applikationsspezifischer Biomaterialien in der Zellkultur

Einfluss der Porengröße auf die Gewebebildung

Die Porengröße des Matrixmaterials hat eine herausragende Bedeutung für die Induktion natürlicher Gewebestrukturen in der regenerativen Medizin und Zellkultur. Versuche einer amplifizierten Gewebekultur mit humanen Knochenzellen belegen, dass Porengrößen unterhalb von 100 µm zur Bildung einer glatten Bindegewebestruktur führen, während einer mittleren Porengröße von 250 µm eine Kalzifizierung der Gewebestrukturen induziert, die zur Bildung von Knochengewebe führt.

Amplifizierte Knochenzellkultur auf einem kleinporigen (links) und großporigen (rechts) kollagenbasierten Kompositmaterial und fluoreszenzmikroskopische Kontrolle des Zellwachstums: Bindegewebsartige Differenzierung auf dem kleinporigen Material und Bildung von Bone Forming Nodules bei erhöhter Porengröße.

Gesteuerte Gewebebildung in Bilayer-Scaffolds

Die Implementierung von migrationshemmenden Sperrschichten ermöglicht die Herstellung regenerativer Biomaterialien mit Barrierefunktion. So kann im Rahmen der gesteuerten Geweberegeneration (GTR) und gesteuerten Knochenregeneration (GBR) das Einwachsen unerwünschter Gewebetypen in das Defektareal vermieden werden. Im Rahmen des Tissue Engineering erlauben Bilayer-Materialien den Aufbau mehrschichtiger Gewebestrukturen, wie Haut oder Schleimhaut durch Besiedlung der getrennten Materialbereiche mit verschiedenen Zelltypen.

Die beidseitige Besiedlung eines Bi-Layer-Komposites für das Tissue Engineering humaner Mundschleimhaut mit Gingiva-Fibroblasten zeigt die Steuerung der Gewebeentwicklung durch die Struktureigenschaften der Matrix. Während das oberflächliche Zellwachstum auf der kleinporigen Seite des Materials zur Ausbildung einer geschlossenen 2-dimensionalen Zellschicht führt, wächst derselbe Zelltyp auf der gegenüberliegenden Seite tief in das Material ein und bildet hier ein lockeres 3-dimensionales Bindegewebe. Als Resultat entsteht eine hautähnliche Gewebestruktur.

Beidseitige Fibroblastenkultur auf einer Bi-Layer-Matrix mit Bereichen unterschiedlicher Dicke und Porengröße mit Ausbildung einer hautähnlichen Gewebestruktur unter dem Fluoreszenzmikroskop.